Michel de Montaigne trug über Jahrzehnte in den historischen Kalender ‚Ephemeris historica‘ (Paris 1551) des protestantischen Gelehrten Michael Beuther handschriftliche Notizen ein. Der Kalender ist Teil der im 16. Jahrhundert florierenden Praxis der reformatorischen Memorialkultur, zu deren bedeutenden Vertretern Philipp Melanchthon und Paul Eber gehören. Solche Jahresverzeichnisse waren immer nach dem gleichen Prinzip angelegt: Der Benutzer der ‚Ephemeris historica‘ fand in der Regel auf jeder Seite des Kalenders für diesen Tag erinnerungswürdige biblische oder historische Ereignisse im Druck aufgeführt, der frei gebliebene Raum lud zum Einfügen eigener Beobachtungen ein.

Die in dieser Weise als Merkbüchlein verwendete ‚Ephemeris‘ mutierte so unter medialen Gesichtspunkten zu einem Mischtext zwischen Druck und Handschrift. Indem Montaigne Lebenswendepunkte aus dem privaten Umfeld und politische Geschehnisse von großer Bedeutung notiert, wird der Kalender zu einem faszinierenden Gedächtnis-Reservoir, mit den Worten Montaignes: zu einem ‚magasin de la memoire‘.

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Elsa Kammerer in: Francia-Recensio, 2022/4, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2022.4.91964

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Michel Espagne in: connections, 30.8.2022, URL: http://www.connections.clio-online.net/publicationreview/id/reb-128359

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Till Kinzel in: Informationsmittel (IFB), 29.3 (2021) [#7613], URL: http://informationsmittel-fuer-bibliotheken.de/showfile.php?id=11038