Literatur im Fieber

Zur Poetik der Temperaturen bei Conrad, Woolf, Joyce und Th. Mann



Eine Schlüsselmetapher der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts ist das Fieber, dem als Überschreitung der Normaltemperatur kulturelle Symbolkraft zukommt. Im Zentrum der vorliegenden Untersuchung stehen Fieberdarstellungen aus dieser Umbruchszeit: ansteckendes Tropenfieber in Joseph Conrads Novelle ‚The Shadow-Line. A Confession‘ (1917), transformatives Fieber in Virginia Woolfs The Voyage Out (1915), wiederkehrendes Fieber in James Joyce’ ‚A Portrait of the Artist as a Young Man‘ (1916) und chronisches Fieber in Thomas Manns ‚Der Zauberberg‘ (1924).

Diese Fiebernarrative bringen gleichermaßen Schreibverfahren der krisenhaften Auflösung wie solche der produktiven Neuschöpfung hervor. Das Fieber wird so als poetologische Metapher etabliert, die aus der Medizin in die Literatur eingeht und textuelle Strategien zur Darstellung und Überwindung von Krisen ausstellt. Durch die Einbettung des Fiebers in das Metaphernfeld der Temperaturen leistet die Arbeit einen wertvollen Beitrag zur Kulturpoetik der Moderne.

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Philipp Erchingen in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, Bd. 259, Jg. 174/1 (2022), 156-158